Unser Weg zur/als Erziehungsstelle

 

Am Anfang … nun einen richtigen Anfang gab es eigentlich gar nicht. Vielmehr war der Entschluss Erziehungsstelle zu werden und ein uns „fremdes“ Kind in die Familie aufzunehmen ein Prozess, der sich über Jahre entwickelt hat. Ein Prozess, in dem uns die Bedürfnisse junger Menschen im Rahmen einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung immer wichtiger wurden, ein Prozess in dem uns die Not der Kinder ohne versorgungsfähige Familie immer mehr ins Bewusstsein rückte und ein Prozess, in dem sich unser Verständnis von Familie mit unserem eigenen Kind erweiterte und wuchs.
Eigentlich planten wir mit der Aufnahme eines Pflegekindes zu warten bis unser Kind etwas älter wäre, aber die Rahmenbedingungen waren einfach zu günstig. So bezogen wir beispielsweise eine Wohnung mit einem Extrazimmer, hatten uns in Bezug auf unsere Arbeit eingerichtet und was das Wichtigste war, wir führten ein glückliches und zufriedenes Leben, welches wir bereit waren zukünftig mit einem weiteren Menschen zu teilen. Also sprangen wir mit 8, 29 und 33 Jahren frohen Mutes und voller Neugier in die etwas andere Art der Familienerweiterung.


Wir vereinbarten einen unverbindlichen Beratungstermin bei Herbie e.V., um zu überprüfen, ob eine Pflegschaft für uns in Frage kommt und wie der Ablauf dazu aussieht. Das lange und offene Gespräch bestärkte uns in unserem Vorhaben, also machten wir uns gemeinsam mit unserer Fachberaterin auf den Weg zur Anerkennung als Erziehungsstelle. (Eine „einfache“ Pflegschaft kam für uns von Anfang an nicht in Frage, da uns der Austausch und die professionelle Begleitung/Unterstützung bei dem emotional aufgeladenen Thema des Kindeswohls sehr wichtig erschien.) Es folgten diverse Schulungstermine zu relevanten Themen im Rahmen einer Pflegschaft, die Offenlegung unserer finanziellen Lage und berufspraktischen Laufbahn, zwei Fragebögen zur Motivation, zu Erwartungen, zu der eigenen Familie, zur Partnerschaft und zu Erziehungsfragen, ein Erfahrungsaustausch mit anderen Erziehungsstellen, ein Vorstellungsgespräch im Trägerverbund für Erziehungsstellen, ein Hausbesuch des Jugendamtes und natürlich zahlreiche Gespräche innerhalb unserer Familie, vor allem mit unserem Kind. Nach ca. 5 Monaten waren wir als Erziehungsstelle anerkannt und damit begann der wesentlich spannendere Teil unseres Weges.

 

Im Anerkennungsverfahren wurde uns nämlich mitgeteilt, dass es im Fall der Fälle tatsächlich ein Kind gäbe, welches man gerne in unsere Familie vermitteln würde. Das ist nicht immer so, zumal wir passend zu unserer Familie gerne ein Kind im Vorschulalter aufnehmen wollten. Aber wie der Zufall so will, entfiel damit für uns jegliche „Wartezeit“, was uns ganz recht war und die Anbahnung wurde nach einem anonymen Treffen zwischen uns und dem Pflegekind eingeleitet.

 

Um es gleich vorweg zu nehmen, es ist definitiv eine ungewohnte Situation, so eine Familienzusammenführung. Vielleicht ganz ähnlich der einer Patchworkfamilie, aber eher aus Sicht der bereits vorhandenen und beteiligten Kinder. Denn im Gegensatz zu den Eltern die die Patchworkfamilie gründen und die sich bereits emotional gefunden haben, müssen jegliche weitere emotionale Bindungen und das Vertrauen zwischen den Ursprungsfamilien erst aufgebaut werden. Nicht zu vergessen der Rattenschwanz an Leuten, Institutionen und individuellen Erfahrungen, die an der ganzen Geschichte mehr oder weniger beteiligt sind.

 

Umso glücklicher waren wir, dass unser erstes Treffen im Wildpark mit bestem Wetter, vielen gemeinsamen Interessen, entspannten Kindern und fröhlicher Stimmung einen so guten Ausgangspunkt für unsere gemeinsame Zukunft bildete. Nach 1 ½ Monaten mit weiteren gemeinsamen Nachmittagen, ersten Übernachtungen bis hin zu mehrtägigen gemeinschaftlichen Erlebnissen waren unser Pflegekind, unser leibliches Kind und auch wir bereit uns auf ein dauerhaftes gemeinsames Zuhause mit all seinen Herausforderungen als vierköpfige Familie einzulassen. Im Hilfeplangespräch mit dem Vormund, dem ASD, unserer Fachberaterin und uns Pflegeeltern wurde der Einzugstermin dann auch offiziell beschlossen.

 

Seitdem haben wir ein weiteres Zimmer in unserer Wohnung eingerichtet und viele Behördengänge und Papierkram erledigt. Wir haben Gespräche mit der Kita und potentiellen Schulen geführt. Außerdem gab es erste Treffen mit weiteren Familienmitgliedern aus beiden Familien. Es fanden Hausbesuche des Vormundes, Erfahrungsaustausche mit anderen Erziehungsstellen und Beratungsgespräche zur aktuellen Lage mit unserer Fachberaterin statt. Vor allem aber haben wir viel Zeit miteinander verbracht, um uns weiter kennenzulernen.

 

 

Zwei Monate nach Einzug unseres Pflegekindes: Es fallen weiterhin Namen, mit denen wir gegenseitig noch nichts anfangen können. Es wird von Erfahrungen berichtet, die wir nur aus den gegenseitigen Erzählungen heraus nachvollziehen können. Wir haben Spaß miteinander und lachen viel. Ab und zu ruckelt, holpert und hakt es, also diskutieren und streiten wir, über Kleinigkeiten und Grundsätze im Zusammenleben. Wir vertragen uns und schmieden zusammen Pläne für die Zukunft. Wir lernen voneinander … machen gemeinsame Erfahrungen … und rücken so voller Zuversicht und Vertrauen Schritt für Schritt zu einer Familie zusammen.

 

Ein schöner Weg, finden wir.

 

Familie Peters